Herbert Friedrich Max Louis Grüttner

Vorwort

Lange habe ich gerätselt wie er zu unserer Familie gehören könnte. Nach Sichtung der Adreßbücher von Leipzig vermutete ich, dass es eine Verbindung zur Familie Kröhl geben musste. Erst mit dem Fund in Düsseldorfer Archiv [3] wurde klar, wer er war.

Dank des Lehrers Arnoldt am Herzogliches Gymnasium Georgianum in Hildburghausen fand ich den Hinweis auf den Wohnort in Bous a.d. Saar und den Geburtsort Kissingen.

Im Staatsarchiv Leipzig stieß ich durch eine kompotenten Mitarbeiterin auf den Handelsregistereintrag von Max Kröhl, der mir wiederum Einblicke in die Geschichte beider Familien bescherte.
Weitere Nachforschungen über die einzelnen Standesämter, Kirchenbücher, Meldeämter rückten die Familie doch in ein anders Licht.

Es ist unglaublich wieviele Menschen er in kurzer Zeit verlor. Seine beiden Schwestern, seine Mutti, seine erste Frau. Selbst 9 Monate nach seinem Tod starb seine erste Tochter. Wenn ich die Unterlagen richtige deute, ging im seinem kurzem Leben viel schief.

Biografie

Alter Datum Ereignis Beschreibung
-5 25.04.1889
Donnerstag
Heirat seiner Eltern Oscar Alfred Felix Grüttner aus Jauer und Caroline Alwine Johanne Mathilde Marie geb. Henze (genannt Mary) in Pyrmont [1]
-3 15.08.1890
Freitag, 1515 Uhr
Geburt seiner Schwester Martha Agnes Margarethe Julie in Pyrmont in Pyrmont [2]
0 27.06.1894
Mittwoch
seine Geburt in Kissingen [3,9]
Bei der nachfolgenden Taufe [17] waren folgende Paten zugegen Es ist einfach unglaublich, Max Kröhl reiste aus ca. 300 km Entfernung für die Taufe an - Max Grüttner sogar um die 600 km.
12 25.03.1907
Montag, 2115 Uhr
Geburt seines Bruders Friedrich Wilhelm Karl in Hildburghausen / Kr. Meiningen [4]
10-14 1904/05-1908 Herzogliches Gymnasium Georgianum in Hildburghausen [5,9]

Er besucht es von der Sexta (5.Klasse) bis zur Untertertia (10.Klasse).

Er war alles andere als ein Musterschüler. Seine Zeugnisse mit Noten zwischen 4-5 (genügend bis ungenügend) zeugen von Desinteresse oder Leistungsschwäche. Sein Betragen wurde regelmäßig negativ kommentiert, so zum Beispiel zog sich durch ungehöriges Betragen während des Unterrichts öfters Tadel zu
ca. 16 1910 Realgymnasium nebst Vorschule (ab UIII, sprich 8.Klasse), Völklingen. Es gibt keinen Nachweis, dass es unser Herbert Grüttner ist. Aber im gleichen Zeitraum ist auch sein Bruder an in der Volksschule Bous an der Saar. Das könnte also passen. [5]
1912 Er besucht das Realgymnasium zu Dillingen an der Saar. Die Familie wohnt in Bous [9]

Anlässlich des 100 jährigen Bestehen des Herzogliches Gymnasium Georgianum Hildburghausen 1912 erschien eine Festschrift. Im zweiten Teil werden ehemalige Schüler und ihr aktueller Stand und derzeitiger Wohnort erwähnt. [9]
ca. 19 Ostern 1914 Realgymnasium zu Dillingen an der Saar
Befähigungszeuignis zum Einjährig-Freiwilligen-Militärdienst [7]
25 25.04.1920
Sonntag
Tod seiner 28 jährigen Schwester Alma in Gernrode/Harz
27 26.10.1921
Mittwoch
Nach dem Tod des Inhabers der gleichnamigen Firma Max Kröhl, erbt seine Witwe Emilie Auguste Minna Hermine geb. Henze das Geschäft. Herbert Grüttner wird Gesellschafter in eigener Verantwortung.
17.02.1922
Freitag
Heirat mit der am 13.07.1900 in Riesa geborenen Helene Maria Bauer in Leipzig. Sie wohnt in der Blumenstr. 18 III.
Ab 01.04.1922 ist seine Frau bei ihm gemeldet.
28 13.08.1922
Sonntag
Geburt seiner Tochter Alma Erika Grüttner
17.09.1922
Sonntag
Seine Frau bleibt bis 24.09.1922 in einer Privatklink in der Weststraße 11.
29 15.08.1923
Mittwoch
Tod seiner 33 jährigen Schwester Martha in Gernrode/Harz
1923
Er wohnte als Kaufmann mit seiner Frau und dem Ob. Telegr. Sekr. Richard Bauer (dort wohnhaft 1917 bis mindestens 1949) in Leipzig-Gohlis / Blumenstr. 18, 3 Etage [5]

Die Lage ist zentrumsnah. Die Wohnungen mit jeweils 4 Fenstern front- und rückseitig müssen sehr geräumig gewesen sein. [8]
im Adressbuch Leipzig unter „Handelsvertreter“ Max Kröhl und er sind Teilhaber. Ab 1925 führt er mit der Witwe das Geschäft. [5]
32 1927 Vertreter für Heyl-Beringer Farbenfabriken AG
Sitz: Charlottenburg, Salzufer 8

Seine Frau reist ein paar mal nach Berlin-Reinickendorf, Hauptstr. 52. In den Adressbüchern 1926-1928 ist nicht nachvollziehbar bei wem sie wohnte.
34 12.07.1928
Donnerstag
Nach dem Tod von Emilie Auguste Minna Hermine Kröhl (genannt Margarete) geb. Henze das Geschäft erbt die Tochter Johanna Kröhl die Firma und setzt Herbert Grüttner als Alleininhaber ein.
04.11.1930
Dienstag
Tod seiner 30jährigen Frau Helene Maria Grüttner in Leipzig zwischen 4 und 5 November. Sie wohnte derzeit der Landsberger Str. 114 in Leipzig/Gohlis.
361931Erstmals erscheint Hanna Kröhl in den Adressbüchern von Leipzig. Hanna Kröhl ist oft auf Bildern mit Ingeborg Brune zu sehen. Herbert F. Grüttner, Hanna Kröhl wohnen in Leipzig, Landsberger Straße 114 II Etage. Die Kröhl's sind ab 1933 nicht mehr verzeichnet.[5]

Die Wohnung liegt Richtung Leipzig-Wiederitsch in Neu-Gohlis, somit im Außenbezirk von Leipzig. Das Haus ist schmucklos. Es gibt keine Stuckarbeiten, das Treppenhaus ist schlicht gehalten. Es gibt 2 Wohnungen pro Etage. Mit ca. 65qm waren es keine großen Wohnungen. Ein Mieter erzählte mir, dass es früher eine jüdische Siedlung gewesen wäre. Die Mieter wären nach Hitlers Machtergreifung nach Israel ausgewandert. [8]

Unter den Namen Krochsiedlung findet man einige Informationen zu diesen Wohngebiet.
25.05.1931
Montag
Tod seiner 63 jährigen Mutter durch Schlaganfall in Gernrode. Sie wurde in Quedlinburg eingeäschert. [4]
23.11.1931
Montag
Er heiratet die 18jährige Haustochter Johanna Ilse Lohse (Geburtsregister Leipzig I, 1912/3705), wohnhaft in der Fockestr. 53 in Leipzig. Herbert Grüttner wohnt derzeit in der Landsberger Str. 114
Trauzeugen sind die 44 jährige Witwe Johanna Lohse, ebenfalls wohnhaft in der Fockestr. 53 und der 27 jährige Referendar Kurt Gräbe, wohnhaft in Leipzig-Leutzsch, Weinbergstraße 12. Letztere wurde durch die Witwe Johanna Lohse vorgestellt.

Es verwundert, dass kein Verwandter von Herbert Grüttner als Trauzeuge zur Verfügung stand.

Im Randvermerk steht
Tochter geb.118/1932 (an Kindesstatt angenommen von Dr. Lange)
zu 2) (gemeint Braut) zum zweiten Mal verheiratet Nr. 2641/1941 Standesamt I Leipzig

37 24.01.1932
Sonntag
sein Tod in Leipzig [10]
Sterberegister: Er verstarb auf dem Weg von seiner Wohnung in der Landsberger Straße 114 ins Städtische Krankenhaus Sankt Georg in Leipzig zwischen 19:15 und 22:00 Uhr. Die Polizei zeigte den Tod an.
Seine Einäscherung fand am 28.01.1932, 14 Uhr in der Kapelle des Südfriedhofes in Leipzig statt.
06.03.1932
Sonntag
Geburt seiner Tochter Monika Marie
16.10.1932
Sonntag, 2015 Uhr
Tod seiner 10 jährigen Tochter Alma Erika Grüttner in Zwenkau durch einen Verkehrsunfall

... zum Anfang

Berichte und Erzählungen

Überlieferung der Aussagen seiner Schwägerin Ingeborg geb. Brune

Sie erzählte, dass er dem Morphium verfallen war und sich später selbst umbrachte. Vom Charakter her wird er als Schürzenjäger beschrieben, der wohl nichts anbrennen ließ. Dass er verheiratet war, hatte sie nie erwähnt.

... zum Anfang

Begebenheiten

Sein Tod

Von zwei Seiten hörte ich, dass es Selbstmord gewesen sein soll. Im Stadtarchiv Leipzig fand ich einen Zeitungsartikel, der seinen Tod als Gasunfall beschreibt.

In seiner in der Landsberger Straße gelegenen Wohnung wurde am Sonntag abend der Generalvertreter Herbert G. gasvergiftet aufgefunden. Wiederbelebungsversuche blieben ohne Erfolg. Der Vergiftete wurde dem Krankenhaus St. Georg zugeführt, wo der Arzt nur noch den Tod feststellen konnte. Bei der Untersuchung des Falles stellte sich heraus, daß G. das Opfer eines Unfalles geworden ist. Er hatte nach alter Gewohnheit zur Erwärmung der Küche die Gasflammen in der Bratröhre seines Gasherdes entzünden wollen. Das Streichholz war jedoch unbemerkt daneben gefallen, und das ausströmende Gas übte seine todbringende Wirkung auf dem Mann aus.

Es mutet schon etwas makaber an, dass der Sohn eines Gasdirektors am Gas in seiner Wohnung stirbt. Ob wirklich ein Unfall oder doch Selbstmord war lässt sich nicht mehr beantworten. Es ist durchaus denkbar, dass zum Schutz der Familie ein Selbstmord als Unfall dargestellt wurde.

Der Unfall beschreibt wie er in alter Gewohnheit zur Erwärmung der Küche die Gasflammen in der Bratröhre entzünden wollte, wobei ihm das Streichholz unbemerkt daneben fiel.

Historischer Wetteraufzeichnungen belegen, dass es am 24.01.1931 wie zu erwarten kalt war. Damals war es nicht unüblich mit dem Gasherd die Küche zu heizen. Nicht jede Küche hatte einen Ofen oder wenn waren es Kohle- oder Holzöfen. So wurde der Gasherd oft zweckentfremdet. Selbst mein Vater nutzte ihn 1980 noch auf diese Weise.

Heutzutage wird dem Stadtgas ein Geruchsstoff beigesetzt. Damals war das anders, das Gas - auch Leuchtgas genannt - war geruchlos und höchst giftig. Je nach Region hatte es einen Anteil 6-9% an Kohlenmonoxid. Bereits ein 10% Anteil in der Atemluft brachten innerhalb weniger Minuten den Tod[15]

Bisher klingt der Bericht plausibel, aber dass unbemerkt ein Streichholz daneben fiel, lässt mich dennoch hellhörig werden. Ich kenne die Gasherde aus dieser Zeit nicht. Bei den mir bekannten Gasherden war unterhalb der Backröhre ein Rohr mit nach oben gerichteten Löchern aus denen das Gas strömte. Das wurde mit einem Streichholz entzündet und man sah sofort ob die blauen Flammen. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass der Wind die Flamme ausblies, die Versorgung mit Gas vielleicht schwankte.

Bemerkenswert ist die Anteilnahme der Firma Sichel, die sie ihren Generalvertreter zukommen ließ. Gleich in mehreren Tageszeitungen wurde eine Traueranzeige geschalten. Sicher diente sie auch dazu, den Kunden mitzuteilen, dass Herbert Grüttner als Ansprechpartner nicht mehr zur Verfügung steht. Die lobenden Worte wie lauterer ( faires und ehrliches Verhalten )[16] und seine Arbeitskraft sprechen für sich.

Erbschaftsangelegenheiten

Aus dem Handelsregister Leipzig der Firma Max Kröhl geht hervor, dass das Amtsgericht Leipzig mit aller Macht versuchte die Erbschaft zu klären.
Sein Vater Oskar war gar überrascht darüber, dass er Miterbe war. Die Erbschaft scheint nicht lukrativ gewesen sein (vll. lagen sogar Schulden auf der Firma), denn alle 3 Erbberechtigten - sein Vater, sein einzigster Bruder Wilhelm sowie die Witwe - schlugen das Erbe aus. Die Löschung des Handelsregister war mit Notar- und Gerichtskosten verbunden. Glücklich darüber war hier sicher niemand.

Amtsgericht Leipzig, 18.07.1932

Mit Wirken
Ref. Kretschmar
als Urkundenbeamter der Geschäftstelle
erscheint
Frau Johanna Ilse verh. Grüttner
geb. Lohse in Leipzig - S3 ,
Fockestraße 53 I

die Erschiene weißt sich durch Rückgabe der Ladung und durch Sachkenntnis aus.

Sie erklärt: die Eltern und die Geschwister des
des Verstorbenen haben die Erbschaft ausgeschlagen.
Von den Eltern ist die Mutter bereits tot. Adresse des Vaters ist.

Oskar Grüttner, Gernrode / Harz
Otto-Bad
Anschrift des Bruders
Friedrich Wilhelm Grüttner
Leipzig, Hohenzollerstraße 17 ?
Weiterhin erklärt die Erschiene
das Geschäft wird von meinem Schwager
Friedrich Wilhelm Grüttner
Leipzig, Hohenzollernstraße 17 fortgeführt
erzeichnet, so weil ich weiß
F.W. Grüttner vorm. Max Kröhl

Im Übrigen bitte ich , sich an meinen Vormund
Herrn Otto Lippold, Leipzig, - C1 Plauenstr. 14, der die
Verhandlungen geführt hat, zu wenden.

Der Protokoll ist vorgelesen, von der Erschienenen
genehmigt und wie folgt eigenhändig unterschrieben worden.

Johanna Ilse verh. Grüttner geb. Lohse
Amtsgericht Leipzig, den 30.7.1932
Mitwirken
Ref. Kretschmar
als Urkundenbeamter der Geschäftsstelle
erscheint
1) der Kaufmann Friedrich Wilhelm
Grüttner, Leipzig-C1, Hohenzollerstraße 3

Zur Person ausgewiesen durch
Legitimationskarte des
Rate der Stadt Leipzig, ausgestellt
am 20.4.1932, Nr. 3442

Der erschiene erklärt; Ich
bin nicht Erbe des verstorbenen Herbert
Grüttner. Auf HL 8244 des
Handelsregister des Amtsgerichts
Leipzig eingetragene Firma habe
ich nicht übernommen und führe
dieselbe auch nicht. Ich bin Handlung-
sagent der Firma Ferdinand....
1.8.1932
da die Firmenübertragung nicht er-
folgt ist, besteht das Geschäft nicht
mehr. Die Firma ist da... erloschen., Das Erlöschen ist von den Erben des Inhabers anzumelden. Für die Ehefrau(?) haben der Vormund und der Gegenvormund anzumelden. Friedrich Wilhelm Grüttner hat sich zu erklären ob er die Erbschaft ausgeschlagen hat u. die ??? ..... Vom Vaters des Inhabers ist die Anmeldung u, öff.bgl ha... zu erfahren. . Dabei ist am... ob sich weitere Geschwister des Inhabers
Sichel Kommanditgesellschaft Hannover
Nach dem Tode meines Bruders hat
mir diese Firma die Vertretung
persönlich übertragen. Ein eintrags
fähiges Unternehmen als Handlungs-
agent betriebe ich nicht, da mein
Jahresumsatz schätzungsweise nicht 4000 RM
übersteigen wird.

Das Protokoll ist vorgelesen, von
dem Erschienen und wie
folgt eigenhändig unterschrieben war.
Friedrich Wilhelm Grüttner
25.6.1932
Für die minderjährigen Kinder des Verstorbenen ist die Erbschaft ausgeschlagen
Die Ehefrau Johanna Ilse verh. Grüttner geb. Lohse, Fockestr. 53
als Erben zu Bl. 29 u. über weitere Erben / Eltern des Verstorbenen und Geschwister hören.
...
... zum Anfang

Seine Frau Johanna Ilse Lohse

Laut Vormundschaftsentscheidung wurde sie am 14.12.1912 geboren. Sie war damit 18 Jahre jünger als ihr Mann. Das ist schon ein großer Altersunterschied.
Kurz nach ihren 10 Geburtstag holte man sich neben dem Vormund dem Baumeister Willi Wagner den Gegenvormund dem Prokuristen Georg Wachsmuth dazu. Dieser diente dazu den Vormund zu kontrollieren und insbesondere auf das Mündelvermögen zu achten. Am 20.03.1926 wurde ein neuer Vormund Otto Lippold für die inzwischen 13 jährige Ilse Lohse bestellt. Am 30.03.1927 wurde der Gegenvormund Georg Wachsmuth wieder entlassen und kein neuer bestellt.


Leider kenne ich in der Sache Vormundschaft um 1920 nicht aus. Ich vermute hier, dass entweder der Vater verstorben oder nicht mehr selbstständig entscheidungsfähig war. Da vom Gericht ein Gegenvormund bestellt wurde, vermute ich, dass das Mindelvermögen doch vom Wert gewesen sein muss.

Nach genauerer Recherche in den Adressbüchern [5], Schul- [11] und Zivilstandsregistern [12] von Leipzig, war vermutlich ihr Vater der bekannte Baumeister Alfred Lohse (geboren am 8.10.1879 als Sohn des Budenverleihers Johann Gotthelf Lohse und Pauline geb. Berger) und ihre Mutter Johanna Lohse geb. Hascher. Die Familie wohnte bereits mehrere Jahrzehnte in Leipzig, Lößniger Straße 2 (vor 1885 gleiches Haus aber Nr.5). Unter anderem wohnte dort auch seine 1865 geborene Schwester Minna Emilie Henriette (diese verstarb 1872) [13] und seine am 21.12.1876 geborene Schwester Johanna Martha Lohse [12]. Die Familie besaß um 1920 mindestens 3 Häuser in Leipzig (Fockestr. 2 und 53, Lößniger Str. 2. Der fettgeschrieben Buchstabe E: bedeutet Eigentum). 1917 wird Alfred Lohse letztmalig unter der Lößniger Str. 2 erwähnt - 1918 dann die Lohse'sche Erben. 1918 wird seine Witwe unter der Adresse Fockestraße 53 gelistet.


Diese Haus ist heutzutage sehr idylisch direkt am Auenwald gegenüber dem Fockeberg gelegen. Früher war der Fockeberg allerdings eine Müllkippe und vermutlich weniger ansehnlich. Das Haus ist sehr stilvoll gebaut. Hier wohnte eher die Ober- oder Mittelschicht.

1920 bis 1921 gibt es keine Lohse unter diese Adresse. Allerdings ist spätere Vormund Baumeister Wagner verzeichnet. Auch ist die Witwe Lohse nicht mehr verzeichnet - vermutlich ebenso verstorben. Die nachfolgenden Jahre kann ich nicht ganz sicher deuten. In Frakturschrift sehen sich die Buchstaben I und J sehr ähnlich, der Fuß beim J sollte unterhalb der Grundlinie stehen, beim I genau damit abschließen. Nun in den Adressbüchern kannte man die Regel wohl nicht ;-) Daher ist es schwer zu deuten, ob Johanna oder Ilse gemeint sein könnten. 1931 wurde gar Ilse und Johanna erwähnt.

Ab 1922 ist die Eigentümerin mit Vormund vermerkt. Ab 1926-28 spricht man von minderjährig, von 1929-1932 als Fräulein. Sie wohnt schließlich bis mindestens 1941 als Witwe Ilse Grüttner. dort. Verwunderlich ist hierbei, dass Herbert Grüttner nie dort eingetragen war. Er wohnte bis kurz vor seinem Tod in der Landsberger Str. 114. Das passt nicht so recht zueinander.

1942-1943 zog Ilse Lohse nach Leipzig, Brandvorwerkstraße 66. Unter der Adresse Fockestraße 53 verweist man unter dem Namen Lange auf die Brandvorwerkstraße 66. Aus dem Melderegister vom Verlagsbuchhändler Dr. phil. Alfred Lange und Ilse Lohse geht hervor, dass sie am 11.11.1940 neu heiraten. Ein Kurt Lang war Leumund bei der Entnazifizierung von Fr. Wilhelm Grüttner. Gibt es da einen Zusammenhang?

Im Melderegister von Dr. phil. Afred Lange erscheint eine Tochter, Monika Marie Lange, welche am 06.03.1932 geboren wurde. Also ca. 3 Monate nach dem Tod von Herbert Fr. Grüttner. War sie seine leibliche Tochter? Es gab 2 minderjährige Kinder, auf die sich ein Schreiben seines Vaters Oskar Grüttner im Oktober 1932 bezieht. Vermutlich war sie eins davon. Aber warum erscheint dann das zweite Kind nicht im Melderegister? War es verstorben? Das würde sich mit der Aussage der Tochter von seinem Bruder Wilhelm decken, dass bei der Kondolenz zum Tode seines Vater Oskar Grüttner 3 Enkel Erwähnung fanden. Sie, Jürgen und ein Kind von Herbert.

In den Bremer Passagierlisten fand ich den Eintrag, dass der Verlagsbuchhändler Dr.Alfred Lange, wohnhaft in Leipzig geboren ca. 1891, verheiratet am 16.08.1938 nach London, England mit dem Schiff Bremen der Schifffahrts­gesellschaft Nordd. Lloyd, Bremen in einer Kajüte reiste. Mit ihm reisten nebenan ebenfalls aus Leipzig der Fachlehrer Heinrich Grote (33 J.), Verlagsbuchhändler Martin Giesecke (29 J.), Stadtrat Bruno Henke (38 J.), Kreisabteilungsleiter Richard Teschke (39 J.), Maler und Graphiker Walther Hofmann (45 J)[18]
Interessant hierbei ist, dass er 2 Jahre vor der Heirat mit Ilse Grüttner geb. Lohse noch verheiratet war.

Von 1944-47 sind keine Adressbücher verfügbar. 1949 wird nur noch Alfred Lange erwähnt. Im Telefonbuch 1950 ist seine Buchhandlung vermerkt. Danach fand ich keinen weiteren Hinweis auf ihn oder auf die Familie. Ich fand einen 1891 geborenen Alfred Lange am Carola-Gymnasium, Sohn vom Dr. Phil. Gymn. Oberlehrer, Leipzig. Quelle: 1903 - Carola-Gymnasium - Jahresbericht. [13] Er verfasste 1921 das Buch Die Einführung der Personen in Shakespeare's Römerdramen [14].
... zum Anfang

Recherche

Erika Grüttner

Ich fand das Melderegister von Erika, daraus geht hervor dass sie erst bei dem Vater in der Landsberger Str. 114 II wohnte und ab 24.1.1932 in Gohlis, Blumenstr. 18 III bei Bauer. Weiterhin ist ihr Tod vermerkt vermerkt. +16.10.1932 in Zwenkau lt. Eintrag in Fam.-Stbeh. v. Eltern St. Zwenkau a. 17.10.1932, 18

Die Zeit vor ihrem Tod muss schrecklich gewesen sein. Erst starb die Mutter 1930, dann ihr Vater 1932. Ihre Schwiegermutter Lohse hatte kein Interesse an ihr, so dass sie bei den Großeltern mütterlicher Seite als neue Pflegeeltern unterkam.

Am 16.10.1932 gegen Mittag kam es zum schrecklichen Unfall. In der Leipziger Volkszeitung vom 17.10.1932 wird der Unfallhergang wie folgt beschrieben :
Bei Prödel wollte auf der Koburger Straße um die Mittags-
zeit ein 10jähriges Mädchen in Begleitung seiner Pflegeeltern zu
Rade auf den Rennstieg einbiegen, als ein Motorroadfahrer trotz hef-
tigsten Bremsens an sie prallte. Ein Arbeitersamariter
leistete die erste Hilfe für den Unterschenkelbruch des Mädchens, das
ins Krankenhaus Zwenkau eingeliefert wurde. Den leichter verletzten
aber, aber ohnmächtigen Motorroadfahrer brachte eine Kraft-
droschke nach St. Jakob.


Leider verstab sie am selben Abend an den folgen des Unfalls im Krankenhaus Zwenkau. Als Todesursache wurde Schädelbruch, Hirnblutung angebeben.

Interessant ist Punkt 30 "Geschwister" in der Sterbefallanzeige. Dieser wurde verneint, obwohl doch eine 7 Monate alte Monika existierte. Ist diese Tochter doch nicht seine gewesen, sondern die des Herrn Lange?


Anmerkung: Rennsteig war eine von Wald umgebene schnurgerade Straße von Prödel nach Zeschwitz. Beide Orte lagen zwischen Zwenkau, Gaschwitz und Großdeuben. Diese gibt es nicht mehr - sie mussten 1974 dem Braunkohleabbau weichen. St. Jacob war ein Krankenhaus in Leipzig (heutiges Universitätsklinikum )

Monika Grüttner

Meine Mutti erinnert sich an eine Monika Grüttner, welche ausgewandert sein soll. Sie wäre eine Blutsverwandte gewesen. Eventuell hat diese sich umgebracht. Immer wieder fiel ihr Italien in Verbindung mit ihren Namen ein. Da war meine Mutti sich nicht sicher. Sie hörte das alles vor vielen Jahrzenten.

Den einzigen Hinweis auf eine Monika fand ich in dem Album meiner Großmutter. Es gibt ein Bild mit einer Aufnahme vom September 1937 in Klosterlausnitz, welches mit Monika beschriftet ist. Ob es sie ist, weiß ich natürlich nicht. Das Kind auf dem Bild ist ca. 4-5 Jahre alt. Älter sicher nicht. Das könnte Monika Grüttner sein.

Im Melderegister von Alfred Lange ist als 1940 geheiratete Ehefrau Ilse Johanna verw. Grüttner geb. Loße und als am 6.3.1932 geborene Tochter Monika Marie Lange verzeichnet. Das zweite Kind Monika wurde zwar von dem in Gernrode lebenden Oskar Grüttner beim Tod seines Sohnes Herbert erwähnt. Die in Leipzig wohnenden Pflegeeltern der ersten Tochter Erika verneinten bei ihren Unfalltod weitere Geschwister. Das lässt vermuten, dass Herbert von seiner Frau betrogen wurde. Sein Tod würde dann doch Zweifel wecken, ob er nicht doch freiwillig aus dem Leben schied.


... zum Anfang

Wissenswertes

Römische Klassennamen [6]

Mir waren die Klassenbezeichnungen nicht geläufig, daher hier die Aufschlüsselung, was sie aus heutiger Sicht bedeuten.

  • Unterstufe
    • 5.Klasse = Sexta (als Probejahr auf dem Gymnasium, wer den Anforderungen nicht gerecht wurde, musste das Gymnasium verlassen)
    • 6.Klasse = Quinta
    • 7.Klasse = Quarta
  • Mittelstufe
    • 8.Klasse = Untertertia (UIII)
    • 9.Klasse = Obertertia
    • 10.Klasse = Untersekunda
  • Oberstufe
    • 11.Klasse = Obersekunda
    • 12.Klasse = Unterprima
    • 13.Klasse= Oberprima

... zum Anfang

Quellen

[1]Pyrmont Standesamt 1889, Nr. 4 (Lieferung Rainer Bien, Pyrmont, 2013)
[2]ev. KB Pyrmont 1890 Seite 235 Nr. 12 (Lieferung Rainer Bien, Pyrmont, 2013)
[3]Zufallsfund (2014) http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ulbdsp/periodical/pageview/5004364
[4]Auszug aus dem Sterbe - Register Gernrode 1931, Seite : 189, Nr : 26
[5]Adressbücher von Leipzig unter http://adressbuecher.sachsendigital.de/startseite/
[6]https://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20071111013354AA5P3Qx
[7]Zufallsfund (2014) http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ulbdsp/periodical/pageview/4146290
[8]eigene Besichtigung im September 2014
[9]Herzogliches Gymnasium Georgianum in Hildburghausen, Vielen Dank an Lehrer Herr R. Arnoldt
[10]Handelsregisterauszug Firma Max Kröhl (Staatsarchiv Leipzig)
[11]http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ulbdsp/periodical/pageview/5726518?query=Lohse%20Leipzig
[12]http://search.ancestry.de/search/db.aspx?dbid=9954
[13]http://altes-leipzig.de/basis/persdb.htm
[14]http://buch-info.org/autor/Alfred_Lange--5
[15] http://toxcenter.org/stoff-infos/k/kohlenmonoxid.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtgas
Die Kohlenoxydvergiftung: Ein Handbuch für Mediziner, Techniker und Unfallrichter 1920
http://symptomat.de/Kohlenmonoxidvergiftung#Diagnose_und_Verlauf_bei_Kohlenmonoxidvergiftung
[16]https://de.wikipedia.org/wiki/Lauterkeit
[17]Auskunft von Pfarramt Bad Kissingen vom 02.02.2016, Kopie des Taufeintrages nicht machbar
[18]Bremer Passagierlisten
... zum Anfang
letzte Änderung Montag, den 6. June 2022, 22:58 Uhr